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Halbmond über San Francisco

Manchmal fragt man sich, was wohl unsere Studenten_innen nach dem Studium an unserer Hochschule so machen, was wohl aus ihnen geworden ist. Mit einigen bleibt man verbunden, oft auch über Facebook. So auch mit Yusuf Önder, der nach seinem Bachelor-Abschluss an der FH Koblenz Architektur an der Academy of Art University in San Francisco studiert hat. In diesem Wintersemester hat er seine Master-Thesis fertiggestellt und mir seinen Entwurf für ein islamisches Kulturzentrum in San Francisco zugeschickt.

Der Bau islamischer Kulturzentren bzw. Moscheen stellt gerade in den USA eine schwierige Thematik dar. Denn die von Islamisten verübten Terroranschläge von 9/11 haben eine nicht verheilende Wunde hinterlassen. Deshalb wird der Bau von Moscheen bei allem Multikulturalismus hochemotional debattiert. „Das Thema bestimmt die amerikanische Sommerpause und hat inzwischen auch Präsident Barack Obama ins Stolpern gebracht“ (Sueddeutsche.de v. 19.08.10).

Selbst in der Bundesrepublik Deutschland, in der seit einigen Jahren eine große Zahl neuer Moscheen errichtet wurde, als Ersatz für die sog. Hinterhofmoscheen, liefert die Entscheidung für den Bau islamischer Kulturzentren reichlich Konfliktpotential in Form heftiger Diskussionen und erbitterter überregionaler Auseinandersetzungen mit der nichtmuslimischen Bevölkerung, oft sogar zwischen Architekt und Bauherrn (wie z. B. der Streit in Köln). Die Probleme liegen oft in den sehr unterschiedlichen Architekturauffassungen der Kulturen. Die Muslime bringen zumeist die Vorstellung mit, dass auch in der westlichen Welt die traditionellen architektonischen Prinzipien des Baumeisters Sinan verwirklicht werden sollten, der im 16. Jh. im osmanischen Reich gewirkt hat. Die westlichen Architekten hingegen sind mehrheitlich der Auffassung, dass eine solche repräsentative Architektur kaum städtebaulich homogen eingepasst werden kann, wie auch das neue islamische Kulturzentrum der Dachorganisation DITIB in Köln zeigt.

Yusuf Önder, selbst Muslim, hat ein Kulturzentrum für San Francisco entworfen, das ein sichtbares Zeichen muslimischer Präsenz in der amerikanischen Diaspora darstellen soll. Jedoch kommt sein Bauentwurf ohne Minarette aus und fügt sich so durchaus in das Stadtbild der amerikanischen Metropole ein. Entstanden ist ein gläserner Monolith mit einer Fassadenkomposition aus einem ungleichmäßigen Netzwerk sich kreuzender Stäbe. Die transparente Membranstruktur trägt zur spirituell-atmosphärischen Wirkung bei. Eine subtile Verneigung vor der Tradition des muslimischen Baustils stellt die Kuppel dar, die aber in ihrer Gestalt kein politisch signifikantes Symbol eines religiösen Machtanspruchs verkörpert.

Ein solcher architektonischer Blickfang, der den ästhetischen Parametern unserer westlichen Kultur entspricht, könnte dazu beitragen, die Differenzen der Kulturen in den Städten der christlich geprägten Welt zu vermeiden und zur Pilgerstätte werden, die von Reisenden verschiedener Kulturen und Religionen genutzt wird.

Siehe auch „Studentische Entwürfe für eine Moschee“:

https://herrmanns.wordpress.com/2010/03/12/ohne-kuppel-und-minarett-2/

2 Kommentare zu “Entwurf

  1. Wurde hier das Minarett auf den Kopf gestellt und mit der Spitze voran in diese transparente Glaubenshülle reingerammt? Ist das die Allegorie für den Menschen der mit Vorurteilen in uns haftet und uns innerlich quält ähnlich wie der Splitter in unserem Daumen? Bei Betrachtung komme ich mir vor als ob der Minarettenstrudel mich einsaugt in eine Welt die mir unbekannt. Hier gibt es ein gefühltes Vakuum. Was erwartet mich? Warum dieses Loch? Gefährlich oder nicht? Spielt dieser -ohne Zweifel interessante- Entwurf eigentlich nur oberflächlich mit unserer Gesellschaftsfrage? Der Kontext in dem es geplant ist, würde ja den passenden Rahmen darstellen. Wo sonst könnte der Kapitalismus eine bessere Verkörperung darstellen wie in den USA. Und heute stellt sich uns doch der Kampf der Kulturen. Huntington hat es ja bereits vortrefflich niedergeschrieben. Wir brauchen den magischen Gegenpool, an dem wir uns reiben können. Also passt doch die Auseinandersetzung zwischen „kapitalem Werteverfall“ gegen „rückständigem Glaubenseifer“. Wie können Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtung miteinander Zusammen leben? Können und sollten wir Architekten bauliche Lösungen suchen, die diese Fragen der Symbolik verschleiern, städtebaulich anpassen, proportional in den umbauten Kontext setzen? Oder sind gerade das Darstellen von Andersartigkeit und die Akzeptanz dessen, nicht das, was wir als Freigeister unterstützen sollten? Ich denke, dass der Austausch von Kultur, Wissen und Symbolik die Menschen zueinander bringen kann, denn nur die Dummen fühlen sich ausgegrenzt. Vielleicht gehört dieser „politisch Korrekte“ Entwurf ja zu einem ersten Schritt zur Verständigung. Ein klares Bekenntnis sieht aber anders aus.

    MFG
    A. Mogulkoc

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