Home

IMG_5560

v. links: Cemal Büyük (Alevitische Gemeinde Deutschland e. V.), Nazanin Esfandiyari, Thomas Wagner, Sezgin Isik, Prof. Henner Herrmanns, Julian Walter

Vier ArchitekturstudentInnen der Hochschule Koblenz haben unter meiner Betreuung, assistiert von Frau Eva Klöckner MA, als Masterthesis ein Cem-Haus entworfen, das der Alevitischen Gemeinde als Muster-Cem-Haus dienen soll. Dies geschah auf Anregung von Herrn Cemal Büyük, Vorstandsmitglied der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V (AABF).

Die alevitische Gemeinschaft ist die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in der Türkei, die sich in ihrem Religionsverständnis und ihren religiösen Praktiken stark von den Sunniten unterscheidet. So tragen die Frauen z. B. kein religiöses Kopftuch, sie beten nicht in Moscheen, dafür in ihren eigenen Gebetsstätten (Cemevi). Von den ca. 3 Mio. türkischstämmigen Menschen, die in Deutschland leben, gehören ungefähr 700.000 dem Alevitentum an. Da die meisten Einwanderer in Deutschland bleiben wollen resp. eingebürgert sind, haben sie das Recht, Bauten zur Ausübung ihrer Religion zu errichten. So benötigen die Aleviten in Deutschland Cem-Häuser (Cemevi). In den nächsten Jahren sollen in der gesamten Bundesrepublik 150 solcher Cem-Häuser entstehen.

Als Cem-Haus bezeichnet man das alevitische Versammlungs- und Gotteshaus. Einer Moschee oder auch einer Synagoge nicht unähnlich ist ein Cem-Haus ein multifunktionales Gebäude, das neben einem Betsaal auch einen großen Versammlungsraum sowie Unterrichtsräume, etc. aufweist. Eine spezifisch „alevitische Baugestalt“ für ein Cem-Haus hat sich in der Geschichte dieser Religionsgemeinschaft, anders als im Kirchenbau, nicht entwickelt.

Als fiktives Areal in Innenstadtlage von Koblenz wurde der Reichensperger Platz in Koblenz ausgewählt.

Schnittperspektive

Entwurf von Sezgin Isik
Die monolithische Architektur des Entwurfs von Sezgin Isik akzentuiert das Areal durch eine einfache, klare Geometrie. Die Linearität des gegenüberliegenden Gebäudes der ehemaligen Bezirksregierung wird aufgenommen und die Achse vom Deinhard-Platz zum Rhein durch die langgezogene Wand unterstützt. Nach außen stellt sich das Gebäude mit kubisch geschlossenem Baukörper und Flachdach dar, wenn auch das Dach eigentlich dynamisch geschwungen ist. Der Grundriss des Cem-Saales lässt eine starke sakrale Anmutung erwarten. Die sakralen und profanen Nutzungen sind separiert. Der profane Teil des Cem-Hauses wird durch das Fassadenmaterial von dem sakralen Teil unterschieden. In Form und Höhe ist die hierarchische Ordnung ablesbar. Der Betraum ist durch seine Höhe und 12 Basaltpfeiler, die neben der statischen auch eine symbolische Funktion haben, besonders betont.
Die Architektur ist durch Raumformen geprägt, deren spirituell-atmosphärische Wirkung sicherlich zum Tragen kommt und der Wertigkeit seiner Bestimmung gerecht wird. Konkret vorgeschlagen wird ein Rechteck, das zwei sich tangential berührende Kreise umschreibt. Die geschlossene Rotunde für den Cem-Saal lässt an Schinkels Altes Museum in Berlin denken. Die zweite offene Rotunde, als Atrium gedacht, erinnert an James Stirlings Stuttgarter Staatsgalerie, deren Rotunde als Skulpturenhof dient und das Innere von der lauten Außenwelt trennt. Urvorstellung ist der mauerumschlossene Paradiesgarten.

RENDERING AUßEN
Entwurf Julian Walter
Julian Walter schlägt einen Baukomplex aus drei Bauteilen vor, von denen zwei ein leicht geneigtes Flachdach aufweisen. Der dritte Bauteil, der den Cem-Saal beherbergt, erhält ein verdrehtes Dach, das sich vertikal hochschraubt. Vor dem Gebäude stehen vier Stelen, die die vier Torwege symbolisieren, die der Besucher durchschreiten soll. Der spirituelle Charakter des Cem-Saales wird durch die geschickte Perforierung von Dach und Wand unterstützt. Der Saal wird durch 12 Oberlichter belichtet, die sinnbildlich für die 12 Imame stehen. Der Anspruch auf Zeichenhaftigkeit eines sakralen Gebäudes ist damit erfüllt.

Schnitt_B_B2

Entwurf Thomas Wagner
Wie ein Cem-Haus aussehen muss, ist in Form, Größe und Gestalt nicht a priori definiert. In dem Entwurf von Thomas Wagner wird der Cem-Saal in einem monolithischen Bau platziert. Ein orthogonales U umfängt diesen dreieckigen Baukörper, in dem die profanen Raumnutzungen untergebracht sind. Der Cem-Saal ist bestimmt räumlich interessant, so dass der Besucher wie in einer Kathedrale ergriffen werden könnte. Der profane Teil des Cem-Hauses wird hier durch Form und Gestalt von dem sakralen Teil unterschieden. Im Äußeren ist die hierarchische Ordnung ablesbar. Die hier verwendete autonome Figur für den Cem-Saal, dieser skulpturale Solitär, schafft eine Unverwechselbarkeit. Als Dachkonfiguration für den U-Trakt wird ein begrüntes flachgeneigtes Faltdach vorgeschlagen.

Ansicht West

Entwurf Nazanin Esfandiyari
Auch von Nazanin Esfandiyari werden die verschiedenen sakralen und profanen Nutzungen separat in einzelne Bauten untergebracht. Es werden vier Gebäude vorgeschlagen, die sich zum Cem-Haus ergänzen. Sie umschließen einen begrünten Hof, wohin sich die von außen scheinbar geschlossene Anlage hin öffnet. Der von außen hermetisch wirkende Komplex erzeugt im Innersten einen geschützten Hortus conclusus, wie in alten Klostergärten. Klarheit und Mystik zeichnen den reduktionistischen Cemsaal aus. Trotz der unprätentiösen Zurückhaltung strahlt die Anlage mittels seiner Fassaden aus Cortenstahl eine physiognomische Kraft aus.

Die Arbeiten (Pläne und Modelle) werden Ende März im Haus der Alevitischen Gemeinde e. V. in Köln-Braunsfeld vorgestellt und ausgestellt. Ebenso ist geplant, die studentischen Entwürfe im kommenden Sommersemester in Koblenz der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Siehe auch Cemivi

Hinterlasse einen Kommentar