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„Bauakademie“, Eduard Gaertner (Foto J. P. Anders)

Wiederaufbau der Berliner Bauakademie Friedrich Schinkels

Zu allen Zeiten gab es sie: die Sehnsucht nach der Vergangenheit und die Glorifizierung historischer Stile. Die Römer haben die Baukunst der Griechen nachgeahmt, in der Renaissance und im Klassizismus orientierte man sich an der Antike. Johann J. Winckelmann (1717 – 1768) formulierte: „Der einzige Weg für uns groß zu werden, ist die Nachahmung der griechisch-antiken Kunst.“

In Berlin wünscht man sich schon lange die Bauakademie des Klassizisten Karl Friedrich Schinkel zurück. Schinkels Backsteinkubus war in der Zeit von 1832 bis 1836 errichtet worden. In einer Synthese von Funktionalität, Konstruktion und Material-Ästhetik wurde der Bau richtungsweisend für die moderne Architektur. Zusammen mit anderen Schinkel-Bauten wie der Neuen Wache mit ihrem griechisch-römischen Portikus (1816), der neogotischen Friedrichswerderschen Kirche (1824 – 1831) und dem Alten Museum mit seinen 18 ionischen Säulen in der Front (1822 – 1828) prägte die Bauakademie unverwechselbar die historische Mitte Berlins. Nach Kriegszerstörungen wurde sie von dem DDR-Regime in den 1960er Jahren abgerissen.

Ein Konsortium plant nunmehr den baldigen Wiederaufbau am Westufer der Spree in Berlins historischer Mitte. Rund 20 Mio. Euro wird man es sich kosten lassen, dass an einer der schönsten Stellen der Hauptstadt – wo auf dem Nachbargrundstück das Stadtschloss wieder aufgebaut werden soll – der rote Backsteinwürfel der einstigen Bauakademie realisiert werden kann.

Wie gut sich das Gebäude neben dem Schinkel-Bau der Friedrichswerdschen Kirche einfügen würde, simuliert seit 2004 eine Attrappe aus bedruckten Planen. Die Nord-Ost-Ecke der zu errichtenden Bauakademie wurde bereits originalgetreu als Anschauungsobjekt rekonstruiert und illusioniert diese Ikone der deutschen Baugeschichte.

Ziegelsteinerne Musterachse – Geschichtsfälschung?

Über die Nutzung der 1962 gesprengten legendären Bauakademie hat man noch keine genauen Vorstellungen; man will das rekonstruierte Gebäude „kulturell“ nutzen. Zu Schinkels Zeiten war es sein Dienstsitz als allmächtiger Oberlandes-Baudirektor von Preußen.

Mit riesigen backsteinroten PVC-Bahnen wurde die zwischen Friedrichswerderscher Kirche und Berliner Stadtschloss errichtete Bauakademie nachempfunden.

The reconstruction of the Bauakademie in Berlin
At all times, people liked the yearning for the past and the glorification of historical styles. The Romans copied the Greek art. In the Renaissance and Classicism the architects oriented themselves in the architecture of the ancient world. Johann J. Winckelmann (1717 – 1768) was convinced: „The only way for us to be great, is the imitation of ancient Greek art.“

In Berlin, many people wish the Reconstruction of the Bauakademie building of the classicist Karl Friedrich Schinkel. His brick cube has been built in the period from 1832 until 1836. It was a synthesis of functionality and design and was trend-setting for modern architecture. Together with other Schinkel buildings such as the Neue Wache, with its Greco-Roman portico (1816), the neo Gothic Friedrichswerder Church (1824 – 1831) and the Altes Museum with its 18 Ionic columns in the front (1822 – 1828) the Bauakademie building determined the historical center of Berlin. After war damage, it was demolished by the East German regime in the 1960s.
An investor group is now planning the early reconstruction on the west bank of the Spree River in Berlin’s historic center. It will cost around 20 million € that in one of the most beautiful area of the capital – where on the neighboring property they are willing to rebuilt the City Palace again (see attached link) – the red brick cube of the former “Academy of Architecture” can be realized.

How well the building will fit next to the other buildings a dummy made of printed sheets is simulating since 2004. The north-east corner of the building to be reconstructed was already high as a demonstration of true to the original brick. On the use of the building the investor does not have any clear idea. At earlier times, it was Schinkel’s building as the omnipotent „Art Director“ of Prussia.

Facade dummie: Karl Friedrich Schinkels Bauakademie

2 more pictures in:

https://herrmanns.wordpress.com/2010/12/16/buga-2011-2/

More about the Berliner Stadtschloss:

https://herrmanns.wordpress.com/2010/05/04/

6 Kommentare zu “Baukultur – Romantic Turn?

  1. Zarko Serafimoski über Facebook:
    muss man tatsächlich alles wieder rekonstruieren? wenn ja, warum? sind wir nicht in der lage neue, tolle gebäude zu planen und bauen? schwieriges thema.

    Henner Herrmanns:
    In den vergangenen Jahrhunderten der Baugeschichte waren die Qualitätsmerkmale der Architektur in Theorien fest umrissen und in ihrer gestalterischen Ausprägung klar beschrieben (Vitruv, Alberti, Palladio, Schinkel, u. a. m.). Elaborierte Architekturkonzepte sucht man heute meist vergeblich.

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  2. Zarko Serafimoski hat über Facebook geschrieben:
    „verstehe ich. das ist allerdings kein nachvollziehbarer grund, verlorengegangene oder komplett zerstörte gebäude nachzubauen. ich kann ja verstehen, dass man ruinen wiederaufbaut, wenn von dem ursprünglichen bauwerk noch fragmente und überbleibsel vorhanden sind. aber hundertprozentige rekonstruktionen sind und bleiben der falsche weg. eine stadt definiert sich eben aus ihrer geschichte und lebt von ständigen erneuerungen und veränderungen. und wir leben nun mal im 21. jahrhundert. wer die antike, den barock oder den klassizismus haben will, sollte bücher lesen, ins museum gehen oder eine zeitmaschine bauen.“

    Henner Herrmanns:

    Angesichts dessen, was Sie sagen, scheint es doch notwendig, diese Tradition wieder aufzunehmen. Die Kardinalfragen lauten: Wie wird Architektur wahrgenommen? Warum wird sie manchmal akzeptiert und warum kommt sie manchmal überhaupt nicht an? Wieso wird Missfallen hervorgerufen? Oder welche wahrnehmungsmäßig gegebenen Merkmale weisen ästhetische Objekte auf, die Akzeptanz hervorrufen?

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  3. Zarko Serafimoski:
    das problem sind doch nicht die architekten, sondern diejenigen die entscheiden wie und warum das bauwerk letzten endes so aussieht. und damit meine ich investoren und auch vor allem politische instanzen. und leider gottes ist es nun mal so, dass, im gegensatz zu anderen ländern, a) der architekt und b) seine architektur einen anderen stellenwert haben als bei uns nun mal der fall ist und das, obwohl so viele fantastische architekten aus deutschland stammen. das bewußtsein für architektur ist nun mal ein anderes als das vor hundert oder tausend jahren. das ist allerdings immer noch kein grund für sehr sehr viel geld retorten zu kreieren, die dann medienwirksam von rekonstruktionsfetischisten wie günter jauch oder prince charles als ultimative architektur verkauft werden. kein mensch in berlin braucht ein schloss.

    Henner Herrmanns:
    Aber – mehr als zehn Millionen Besucher haben seit der Rekonstruktion der barocken Frauenkirche in Dresden im Oktober 2005 das wieder aufgebaute Kirchengebäude besucht. In der gleichen Zeit sind unzählige Kirchen, hauptsächlich moderne Nachkriegskirchen, geschlossen, profaniert und umgenutzt und umgebaut oder auch abgerissen worden. Das gibt doch zu denken!

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  4. Zarko Serafimoski hat geschrieben:
    hat das nicht primär eher etwas mit den austritten aus den kirchen zu tun? ich denke schon.

    Henner Herrmanns:
    Es geht doch nicht um die „Baustelle Kirche“ und die Kirchenschließungen, Umstrukturierungen, Fusionen…
    Hier ein anderes Beispiel, nämlich die anvisierte Neubebauung des Dom-Römer-Areals in Frankfurt/M. Die moderne Architektur des Technischen Rathauses soll abgerissen werden und an gleicher Stelle ist die Rekonstruktion möglichst vieler Fachwerkhäuser, die im Krieg verbrannt sind, geplant. Sie sollen zwischen Dom und Römerberg originalgetreu wiederaufgebaut werden, um die frühere Altstadt neu aufleben zu lassen. Auch hier soll in einer Mischung aus Rekonstruktionen und historischen Bau-Zitaten ein neues resp. altes Bild der Stadt wiedererstehen. Es geht um die ästhetische Akzeptanz, um Rezeption, um Identifizierung der Nutzer.

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  5. Zarko Serafimoski:
    doch doch. natürlich haben die schliessungen mit dem wegbleiben des publikums zu tun. und selbstverständlich hat das etwas mit den geringeren einnahmen aus der kirchensteuer zu tun. wenn die kohle da ist, kann ich so ein gebäude auch unterh…alten. wenn die gläubigen in massen vor der tür stehen, wird so ein gebäude auch gebraucht. und: für das ausleben seines glaubens ist der raum bzw. die örtlichkeit erstmal völlig egal. siehe zb. auch beim islam: die moschee kann auch ein völlig schmuckloser 08/15-raum in einem parkhaus überhalb eines supermarktes sein. und ich komme nochmals auf meine zweite antwort zurück: kosten- und zeitdruck und zusätzlich politischer einfluss verursachen in unserer heutigen zeit, daß moderne architektur großes bewerkstelligen und darstellen kann. im umkehrschluss würde ihre argumentation ja bedeuten, daß die meisten architekturstudenten seit einigen jahrzehnten eine fachlich katastrophale ausbildung erhalten und sie dann als architekten in der praxis vollends versagen. wenn sie sich den schuh anziehen wollen, bitte.

    „Jede Generation baut normalerweise drei bis fünf Prozent einer Stadt. Unsere Vätergeneration hat aber bis zu 60 Prozent einer Stadt gebaut. Und dadurch gibt es so ein Misstrauen gegenüber der Moderne. Für mich ist die Moderne aber kein Stil, sie ist eine Haltung, der man sich verpflichtet, weil sie fortschreitende Erkenntnis, Emanzipation, Authentizität und vieles mehr ermöglicht. Und dass man sich als Teil dieser Welt in der Jetzt-Zeit empfindet und nicht als jemand, der permanent nostalgisch ist.“ (christoph ingenhoven)

    Henner Herrmanns:
    Lieber Zarko, ich stelle ganz einfach fest, dass man sich momentan wieder mehr auf das besinnt, was zu Herzen geht, einen berührt und nicht gleichgültig lässt. Romantik ist en vogue. Das hat mit Aufbruch und Neuorientierung zu tun. So wie man sich beispielsweise nach dem Zeitalter der Aufklärung und der Säkularisation nach Harmonie sehnte, glaubt man heute in der Rückbesinnung auf vergangene Zeiten nichts falsch zu machen. Natürlich gilt es aber nicht einfach, das Vergangene zu imitieren, sondern es sollte mit Neuem gefüllt werden, fast möchte man sagen: vollendet werden.

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